1. Februar 2012

Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Spielhallengesetz

Jürgen FrömmrichVielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit Aufmerksamkeit dem Innenminister und auch Herrn Kollegen Bauer gelauscht. Ich finde, dass, was Sie als Problemanalyse vorgetragen haben, womit wir es hier zu tun haben, und wofür auch Regelungen getroffen werden müssen, ist zutreffend. Sie haben bei der Vorstellung Ihres Eckpunktepapiers auch die Problemstellung aufgezeigt.

Wenn es zum Beispiel so ist, dass die Anzahl der Konzessionsvergaben für Spielhallen um 41 Prozent gestiegen ist, die Anzahl der Spielhallenstandorte um 21 Prozent angestiegen ist, und die Anzahl der Spielgeräte um 60 Prozent gestiegen ist, wenn die Tatsache zutrifft, dass wir es mit steigender Suchtproblematik zu tun haben, und wenn Sie auch den Wink des EuGH bezüglich der kohärenten Regelungen im Glücksspielbereich im Blick haben, dann kann man sich nicht der Tatsache verschließen, dass wir neue Regelungen brauchen. Da sind wir uns alle einig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gesetzgeber legen keine Gesetzentwürfe vor, um Menschen oder kleine und mittlere Unternehmen, die solche Spielhallen betreiben, zu ärgern. Gesetze werden vorgelegt, weil es ein Problem gibt. Dieses Problem ist nicht weg zu diskutieren. Wenn man ein Problem erkannt hat – dies auch in Richtung des Kollegen Bauer – sollte man doch wenigstens den Versuch unternehmen, dieses Problem zu lösen. Das ist aber nicht das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie werden in den nächsten 15 Jahren den Status quo in diesem Land beibehalten. Diejenigen, die bis zum 23. Oktober 2011 über eine Konzession verfügen, werden in den nächsten 15 Jahren Bestandsschutz haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, von daher ist es kein Eingriff in den Bestand, sondern Sie versuchen, das Problem auf die Zeitschiene der nächsten 15 Jahre zu verschieben.

Herr Innenminister, Sie haben seinerzeit – als Sie erst einmal auf die Ergebnisse des Staatsvertrages gewartet haben – im März des letzten Jahres nicht eingeladen, weil Sie ein Eckpunktepapier vorlegen wollten. Sie haben im März dazu eingeladen, einen Gesetzentwurf vorzustellen. Die Vorstellung des Gesetzentwurfs ist aber über Nacht zur Vorstellung des Eckpunktepapiers geworden. Warum das in einer Nacht passiert ist, kann man sich doch ganz klar vorstellen: Der parlamentarische Arm der Automatenlobby, nämlich die FDP, hat sich in diesem Punkt wieder einmal durchgesetzt, und Sie durften das, was Sie eigentlich machen wollten, nicht machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es hat dann zehn Monate gedauert, bis Sie aus dem Eckpunktepapier einen Gesetzentwurf gemacht haben. Dieser Gesetzentwurf hat in Teilen Placebocharakter. Er löst nicht die Probleme, sondern schiebt sie auf die lange Bank. Er reguliert nicht den Markt und wird den Anforderungen, die der EuGH für den Glücksspielbereich vorgibt, nicht gerecht. Er löst die Probleme der Kommunen überhaupt nicht.

Herr Innenminister, ich weiß ja, dass Sie es besser wissen. Sie wissen um die Probleme, die wir in diesem Bereich haben. Sie waren Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt. Wenn man Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt gewesen ist, dann weiß man, wie sich Städte verändern, dann weiß man, was man für Probleme an diesen Standorten mit Begleitkriminalität, mit Lärm, mit Belästigungen von Anwohnerinnen und Anwohnern hat.

Wir haben es damit zu tun, dass diese Dinger wie Pilze aus dem Boden schießen, dass sie das Stadtbild verändern.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Wir haben es damit zu tun, dass die Stadtbilder verändert werden. Wir haben einen Verdrängungswettbewerb. Die alteingesessenen Einzelhändler, die viele Jahre ihre Geschäfte dort betrieben haben, werden verdrängt, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können. Wir haben eine Veränderung der Wohnquartiere.

Herr Innenminister, wenn man dieses Problem in der Analyse erkennt, dann kann man doch nicht allen Ernstes einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine 15-jährige Übergangsfrist festschreibt. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Außerdem – das wollen wir auch feststellen – ist von den ersten Überlegungen, die Sie angestellt haben, bis zu dem Gesetzentwurf, den Sie jetzt vorgelegt haben, einiges passiert. Beim ersten Entwurf – ich nenne es einmal Zwischenstand –, den Sie vorgelegt haben, haben Sie auch noch gesagt, Sie wollen die Hallen acht Stunden lang schließen. Aus den acht Stunden sind jetzt sechs Stunden geworden. Wie kam es zu dieser Änderung?

Sie haben, was die Schließzeiten angeht, Änderungen. Sie sind bei der Abstandsregelung zurückgefallen. Sie haben im ersten Entwurf, der in Ihrem Hause kursierte, noch 500 m gehabt. Jetzt sind Sie bei 300 m. Wie ist das gekommen? Sie haben keine Beschränkung der Zahl der Automaten mehr im Gesetz. Sie haben – die Kollegen haben es schon angesprochen – die Abstandsregelung zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, also zu Kindergärten, Schulen, Jugendhäusern und anderem, nicht angesprochen. – Da hat sich doch einiges verändert.

Herr Innenminister, ich will es Ihnen gar nicht zum Vorwurf machen. Ich weiß, wo es passiert ist. Das ist passiert, weil die FDP sich an diesem Punkt durchgesetzt hat und als Vereinigung, die dem Lobbyismus frönt und bei der die Automatenaufsteller vorstellig waren, den Versuch unternommen hat, hier zu retten, was zu retten ist.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, hier sind wir uns wahrscheinlich auch einig. Am liebsten hätte ich es gehabt, dass wir im Staatsvertrag der Bundesländer eine Regelung treffen, die diesen Bereich reguliert. Dann müssten wir auch nicht in 16 Landesparlamenten darüber diskutieren, wie man es macht. Dann müssten sich auch nicht Unternehmer, die an Landesgrenzen wohnen und solche Hallen betreiben, mit verschiedenen Gesetzen herumschlagen. Im Übrigen würden Sie auch das Problem der kohärenten Regelungen beheben, das der EuGH kritisiert hat. Das tun Sie alles nicht.

Wir werden über den Glücksspielstaatsvertrag Probleme bekommen. Sie machen wieder das Gleiche, was Ihnen seinerzeit vorgeworfen wurde. Auf der einen Seite erhalten Sie ein Monopol bei Toto und Lotto, bekanntermaßen wenig suchtgefährdend, und auf der anderen Seite geben Sie da, wo es wirklich um Sucht geht, den Wettbewerb frei. Das sind Bereiche wie z. B. das Automatenspiel.

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Frömmrich, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Jürgen Frömmrich:

Das ist ausdrücklich im Urteil des EuGH erwähnt worden. Diesen Bereich überlassen Sie dem freien Markt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist das, was Sie vorlegen, sehr problematisch. Ich kündige aber für meine Fraktion an, wir werden Ihr Gesprächsangebot natürlich aufnehmen. Ich glaube, dass man in der Anhörung schauen kann, was die Übergangsfristen angeht, was Abstandsregelungen und Schließzeiten angeht. Ich bin sehr gespannt, was die Experten dazu sagen. Ich bin auch sehr gespannt, was sie zu Ihren 15 Jahren sagen.

Dafür sind Anhörungen da. Es gilt der alte Spruch von Struck: Gesetze kommen aus dem Parlament nicht so heraus, wie sie hineingegangen sind. – Hier sind wir gesprächsoffen. Aber das bedeutet auch, dass Sie, Herr Innenminister, sich bewegen müssen, dass Sie sich endlich befreien müssen vom parlamentarischen Arm der Automatenlobby.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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